Drum-Programming Teil II: Der Drummer

Warum nur so umständlich? Erstmal Instrumentenkunde, dann noch Musikerkunde (hmm…eigenartiges Kompositum)? Naja, es fällt mir halt immer wieder auf, wenn ich so durch Netz stromer, und mir Musiken von anderen Leuten anhöre, das einige ganz elementare Überlegungen noch nicht ganz ausgereift sind. Da mag eine Song-Idee grandios sein und der Sound noch so fantastisch, wenn dann ein virtueller Schlagzeuger dazu spielt, der scheinbar fünf, sechs oder noch mehr Gliedmaßen hat, dann klingt das für mich albern. Das ist der Hauptgrund, warum ich es so umständlich mache. Aber alles der Reihe nach.

Ich habe es schon gesagt: Auch ein Schlagzeuger hat nur zwei Hände. Ist also zu beachten, das man beim Programmieren von Drumgrooves nicht zufällig Sachen angelegt, wie zum Beispiel zwei bis drei Becken gleichzeitig spielen zu lassen oder die Snare zusammen mit zwei Toms anzuschlagen. (Was man oft hört ist, das die Oszinato Figur auf Ride oder HiHat durchläuft, während auf den Crashes Abschläge gesielt werden. Oder die HiHat spielt die Sechzehntel weiter durch, während auf den Toms ein Lauf gespielt wird).

Eine Besonderheit weisen Schlagzeuger dennoch auf. Sie können mehr als nur zwei Gliedmaßen unabhängig von einander kontrolliert bewegen. Ja, das können nur die. Macht doch mal den Versuch und legt eine Hand auf den Kopf, bewegt sie im Kreis auf der Kopfplatte, die andere Hand auf den Bauch und diese rauf- und runter bewegen und mit dem linken Fuß einen Takt klopfen. Klappt nicht gut was?

Sportler kennen das Problem vielleicht, man kann nicht mehr als zwei Gliedmaßen gleichzeitig kontrolliert bewegen. Moment, was ist mit Laufen und gleichzeitig einen Ball prellen? Und schon stecken wir mitten in der Thematik. Auch Schlagzeuger sind keine Übermenschen oder motorisch überdurchschnittlich begabt. Sie bedienen sich eines kleinen Tricks, um alle vier Gliedmaßen beim Spiel verwenden zu können. Sogenannte Automatismen.

Was ist damit gemeint? Man studiert einen Bewegungsablauf zweier Gleidmaßen solange ein, bis man ihn automatisch und ohne nachzudenken ausführen kann. Beim Ballprellen wäre das vermutlich das Laufen (dat kennen wir in der Regel von Klein auf und brauchen uns darüber keine Gedanken mehr zu machen), das Prellen mit der Hand kommt als Bewegung dazu und ist vermutlich (nach einer gewissen Zeit auch nicht mehr) das Einzige, worum sich der Sportler Gedanken macht. Was bedeutet das für das Schlagzeugprogrammieren?

Schlagzeuger gehen ähnlich vor. So wird meist die Arbeit der beiden Hände koordiniert und von der Beinarbeit gesondert geübt. Insbesondere das Spiel zwischen HiHat (oder Ride) und Snare ist hier von Bedeutung. Während zum Beispiel mit der rechten Hand die Achtel auf der HiHat durchgespielt werden, spielt die Linke auf der Snare die Backbeats. (Ziemlich gängige Strophenbegleitung). Dieses “Pattern” wird so lange geübt, bis es in Fleisch und Blut übergegangen ist, dann wird eine Bass Drum Figur dazu gelegt (quasi um den Automatismus herum). Hier ein paar kleine Beispiel für Grooves, bei denen die Hände ein automatisiertes Pattern spielen. Hier mal fünf kurze Beispiele (bei einem Klick auf das Bild, kann man sich auch noch eine größere Version anzeigen lassen).

Achtel-Figur

Bei diesem Beispiel spielt die eine Hand durchgehende Achtel auf der HiHat, die Rechte die Zwei und die Vier (die sogenannten Back-Beats) auf der Snare.

Einfacher Backbeat. Snare auf 2 und 4, HiHat geht in 8-teln durch.

Einfacher Backbeat. Snare auf 2 und 4, HiHat geht in 8-teln durch.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Diese Figur lernen vermutlich alle Schlagzeuger als allererstes, deshalb beginnen auch wir mit ihr. Sie hat aber nicht nur ihren “didaktischen” Nutzen, sondern wird auch oft eingesetzt und muss nicht zwangsläufig langweilig klingen, nur weil sie langweilig ausschaut. Sie zeigt uns auch eines der wichtigsten Merkmale vieler Popsongs dieser Tage: die Betonung der Backbeats. Damit sind die Zählzeiten 2 und 4 gemeint. Diese Art, die Schwerpunkte im Takt zu verteilen, kommt aus der Blues und Soulmusik

Hier dieselbe Figur, allerdings mit einem Bass Drum Pattern. Nur als Beispiel, diese Standardfigur ist für vielerlei Begleitungen denkbar.

Einfaches Snarepattern mit einfacher Bassdrumbegleitung.

Einfaches Snarepattern mit einfacher Bassdrumbegleitung.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Ich habe es hier gleich mal etwas spannender gemacht. Normalerweise würde der typische Schlagzeuglehrer vermutlich erstmal die Basedrumschläge auf der Eins und der Drei mit seinen Schülern einstudieren, und erst hinterher mit Sechzehntel arbeiten. Wie oben schon geschrieben, ist es nicht ganz einfach drei Gliedmaßen auf gleichzeitig kontrolliert zu bewegen, deshalb versucht man zu nächst Figuren zu finden, bei denen die Schläge gemeinsam ausgeführt und nicht, wie bei dem gerade vorgestellten Pattern, abwechselnd oder gar gegeneinander gespielt werden. Dennoch, das obige Pattern ist auch einer der “Alltime  Classics”, den man auf diversen Alben verschiedenster Stilrichtung wiederfindet. Ruhig mal einprägen.

Einfaches Funkpattern

Das erste etwas funkigere Ding.

Das erste etwas funkigere Ding.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Bei diesem Pattern werden wieder die zweite und die vierte Zählzeit betont. Auch hier spielt eine Hand die Hats und die andere die Snare. Die beiden Schläge in der Mitte des Taktes werden nur sehr leise auf der Snare gespielt. Dieses Automatismus sollte man sich ruhig gut einprägen, er wurde schon in unzähligen Songs verbaut und variiert. Ein echter Klassiker. Dezent aber durchaus “funky”. Gerade in der Popmusik hört man ihn allerorten. Hier das Ganze nochmal mit einer Bass Drum Figur. Wobei hier tausende verschiedene Variationen denkbar sind (und teilweise auch gespielt werden):

Hier eine passende Basedrumfigur

Hier eine passende Basedrumfigur

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Komplizierteres Funkpattern

Bei der nächsten Figur wird die HiHat mit beiden Händen abwechselnd gespielt. Dadurch fällt ein HiHat Schlag weg, wenn die Snare gespielt wird. Je nachdem, welche Hand beim Drummer die Führungshand ist (also, ob er Links- oder Rechtshänder ist), wird der Schlag anstelle der HiHat auf der Snare ausgeführt und betont.

Sechzehntelfigur auf der HiHat. Snareschläge beachten: die HiHat kann der Drumm nicht gleichzeitig spielen.

Sechzehntelfigur auf der HiHat. Snareschläge beachten: die HiHat kann der Drumm nicht gleichzeitig spielen.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Beim Programmieren dieser Figuren ist es wichtig auf Genauigkeit und Dynamik zu achten. Bei diesen “schnellen” Patterns hört man jede Ungenauigkeit sofort. Bei der Dynamik kommt ein doofe Eigenschaft von virtuellen Instrumenten ins Spiel. Sie verfügen nur über eine begrenzte Anzahl verschiedener Sounds für die einzelnen Dynamikstufen. Die allermeisten spielen bei ähnlich lauten Anschlägen einfach die gleichen Sounds und passen nur deren Lautstärke an. Das wirkt schnell sehr ermüdend. Ich bearbeite bei diesem Pattern meist den zweiten und dritten Schlag einer Vierergruppe nach, sodass sie deutlich anders klingen (also erheblich “leiser” angeschlagen werden). Wie man die Dynamik genau anpasst bleibt natürlich Geschmackssache, sich dieses Umstandes bewusst sein und damit zu arbeiten gehört aber zu einem halbwegs natürlich klingenden Schlagzeugpart dazu.

Mit Bass Drum, könnte die Figur am Ende so aussehen:

Die Doppelschläge am Anfang des Taktes sind mit Vorsicht zu genießen. Sie beissen sich oft mit der Bassbegleitung.

Die Doppelschläge am Anfang des Taktes sind mit Vorsicht zu genießen. Sie beissen sich oft mit der Bassbegleitung.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Snare Train

Hier mal ein Beispiel, wie man Patterns variieren kann. Im Grunde entspricht diese Figur der Obigen, mit dem Unterschied, das eine Hand wieder auf der Snare spielt (allerdings sehr leise, sogenannte Taps) und die Führungshand auf der HiHat. Diese Figur sieht weit komplizierter aus, als sie eigentlich ist und sorgt (sauber gespielt) für ziemlichen Drive.

Driving away. John Bonham lässt grüßen.

Can´t stop this train from rolling.... John Bonham lässt grüßen.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Auch hier gilt: Sauber spielen und achtet auf die Lautstärke der einzelnen Töne. Das Gleiche mit ein paar Baseschlägen:

Und hier als gesamte Begleitung.

Und hier als gesamte Begleitung.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Wenn man bei dieser Figur die HiHat durch das Ridebecken vertauscht, hat man in der Regel einen ziemlich treibenden Rhythmus für eine Refrainbegleitung. Oder als “Ear-Catcher” in einer Bridge etc. Für die “normale” Strophenbegleitung ist sie manchmal schon zu unruhig aber auch hier gilt: Erlaubt ist, was gefällt.

Dub

Oder mal was ganz anderes. Diese Figur ist am Ehesten mit der Ersten vergleichbar, wobei die HiHat bloß in Vierteln und abwechselnd offen und geschlossen gespielt wird. Allerdings wird die gesamte Figur um eine Achtel verschoben.

Um eine Achtel verschoben. Ohne Base klingt es fast, wie unser aller erstes Pattern.

Um eine Achtel verschoben. Ohne Base klingt es fast, wie unser aller erstes Pattern.

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Mit einer passenden Bass Drum Figur kann das Ganze dann so aussehen:

Das klingt doch schon fast nach "Seeed"...

Das klingt doch schon fast nach "Seeed"...

Musikvideo: Adobe Flash Player (Version 9 oder höher) wird benötigt um dieses Musikvideo abzuspielen. Die aktuellste Version steht hier zum herunterladen bereit. Außerdem muss JavaScript in Ihrem Browser aktiviert sein.

Halten wir fest:

Beim Programmieren von Grooves sollten wir also daran denken, das nicht alles möglich ist, was unter Umständen gut klingt (wobei natürlich der eigene Geschmack entscheidet, dennoch:) Es lohnt zum Beispiel auch nachzudenken, ob der Weg zwischen Standtom und Crash Becken nicht vielleicht zu weit ist, um ihn binnen einer sechzehntel zurückzulegen. (Also mit den Händen. Manche Programmieren ihre Drums ja für Schlagzeuger, mit der Eigenschaft, die Arme mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen).

Was ich mit meinen eher umständlichen Überlegungen erreichen will ist, das sich der geneigte Computermusiker auch mit den Instrumenten und Instrumentalisten in der realen Welt auseinandersetzt. Der Höreindruck wird schließlich nicht nur durch die Komposition oder den Sound beeinflußt, sondern auch durch Hörgewohnheiten. Wenn jemand überwiegend Musik hört, wo Schlagzeuger aus Fleisch und Blut die Rhythmusarbeit erledigen, dann wird es für ihn ungewohnt klingen, wenn programmierte Drums nicht realistisch klingen (also für einen echten Drummer nicht nachspielbar sind). Man sollte sich in diesem Zusammenhang auch keine Illusionen über die Musikalität des Publikums machen. Auch wenn der Laie selten in der Lage ist, zu benennen, was ihn an einer Komposition stört, was ihn stört hört er sehr wohl. Das Publikum nimmt mehr wahr, als es bewußt hört. Und gut gemachte Produktionen finden auch dann (zumindest oft) Anklang, wenn sie zum Beispiel nicht dem Zeitgeist entsprechen. Also, es ist nicht nur Arbeit, es lohnt sich auch (wobei das natürlich lediglich meine Erfahrung ist. Dennoch erlebe ich es schon hin und wieder, beim Vorführen meiner Musik, das die Hörer verblüfft bemerken: “Oh, das klingt ja nach Band.” Schnippisch, wie ich bin, antworte ich dann:”Ja, das war das Ziel…”)

Hier geht es weiter zum dritten Teil.

Kein ähnlichen Artikel.